Interview mit ehemaligen 3. Liga-Profi Marcel Kaffenberger

Marcel Kaffenberger

In der 3.Liga spielte er für Chemnitz, Lotte und zuletzt für Rot – Weiß Erfurt – im Interview spricht Marcel Kaffenberger über seine Zeit beim einstigen Drittligadino, sein Verletzungspech und warum ein Derby gegen Eintracht Frankfurt in besonderer Erinnerung geblieben ist.

– Marcel, das Jahr hätte für Dich kaum turbulenter beginnen können. Die Geburt deines Kindes folgte nahezu gleichzeitig auf die Einstellung des Spielbetriebs deines Ex Vereins Rot Weiss Erfurt. Wie geht es Dir derzeit und wie hast du die gesamten Negativerlebnisse bei RWE verarbeiten können?

MK: Das stimmt, turbulent trifft es glaube ich ganz gut. Die Geburt war natürlich ein tolles Gefühl, zumal ich in der Vaterrolle schon ganz gut drin bin. Es war und ist immer noch ein unfassbares Glücksgefühl, Vater zu werden und zu sein. Die Einstellung des Spielbetriebs hat mich sehr hart getroffen. Für uns alle war das ein unfassbarer Schock. Der Schmerz ist bis heute da, zumal damals sogar Tränen geflossen sind, was mir persönlich natürlich auch nahe ging.

– Generell verliefen die 2,5 Jahre in Erfurt für Dich durchaus turbulent. Zwei Insolvenzen, ein Abstieg stehen zu Buche. Auf der anderen Seite ein überdurchschnittlicher Fanzuspruch und ein scheinbar gelungener Neuanfang in der Saison 2018/2019, in der du die Mannschaft sogar als Kapitän anführen konntest. Wie lautet dein persönliches Fazit zu deiner Zeit bei Rot – Weiß sportlich und menschlich betrachtet?

MK: Auch wenn die Zeit sportlich insgesamt wechselhaft verlief, waren für mich die 2,5 Jahre durchweg positiv. Es hat einfach vom ersten Tag an gepasst. Ich kann mit gutem Gewissen behaupten, dass die Zeit bei RWE meine bislang schönste im Fußball war. Es hat sich dort einfach etwas Besonderes aufgebaut. Ich habe viele tolle Menschen kennengelernt. Zudem war es mir natürlich eine Ehre, mit 24 Jahren Kapitän eines so großen Vereins zu sein

– Auch in Erfurt riss das Verletzungspech bei Dir leider nicht ab. 14 Regionalligaeinsätze  in der letzten Saison steht noch kein Einsatz in der laufenden Saison gegenüber. Die Einstellung des Spielbetriebs erfolgte jedoch zu einem Zeitpunkt, an dem die Genesung weit fortgeschritten war. Wie ist dein Gesundheitszustand derzeit und wie hältst Du dich derzeit fit auch im Hinblick auf den Sommer, wo ein Wechsel zu einem neuen Verein möglich ist?

MK: Das Verletzungspech ist leider schon enorm. Da leide ich schon sehr mittlerweile. Ich habe mich immer zurückgekämpft, egal wie schwer die Situation war. Dazu muss ich betonen, dass ich mich hier immer auf den Verein verlassen konnte. Zurzeit mache ich meine Reha in Frankfurt und arbeite hart daran, wieder gesund zu werden. Das ist zweifelsohne die schwierigste Phase meiner Karriere, aber ich lasse mich definitiv nicht unterkriegen.

– Auch mental war die Zeit während deiner Verletzungen definitiv nicht immer einfach. Was gibt Dir in solchen Phasen Mut und Kraft, stärker zurückzukommen und die Hoffnung, das Verletzungspech dauerhaft hinter dir zu lassen ?

MK: Natürlich ist das für mich alles andere als einfach. Ich lebe den Sport und umso schwerer ist es für mich, so oft außen vor zu sein. Ich persönlich habe auch viele Sachen hinterfragt, habe Blut – und Ernährungstests gemacht. Dennoch weiß ich nicht, warum ich auf so viele Verletzungen komme. Dennoch kann ich jedem in ähnlicher Lage nur raten, weiter zu machen und niemals aufzugeben. In solchen Phasen merkt man, wer hinter einem steht und auf welche Menschen man sich verlassen kann. Ich bin auf jeden Fall für jeden Zuspruch dankbar und werde stärker als zuvor zurückkommen.

– Turbulent verlief auch das letzte Jahr des Chemnitzer FC, für den du 14 Spiele absolviert hast. Mit massig Nebengeräuschen gelang der sofortige Wiederaufstieg in die 3.Liga. Ruhe kehrte jedoch erst gegen Ende 2019 ein. Wie hast Du die Zeit der Himmelblauen verfolgt und wie schätzt Du die Chancen auf den Klassenerhalt ein?

MK: Der Chemnitzer FC ist ein toller Traditionsverein, wo ich viele Menschen kennengelernt habe. Mich freut es sehr, dass innerhalb des Vereins nun Ruhe eingekehrt ist, ohne auf die anderen Sachen eingehen zu wollen. Als ehemaliger Spieler des Klubs verfolge ich den CFC automatisch mehr. Einer der Physiotherapeuten Florian Braband ist ein enger Freund von mir geworden. Manchmal bin ich selber bei Spielen vor Ort. Vom neuen Trainer Patrick Glöckner halte ich sehr viel und kenne ihn sogar persönlich gut. Ich bin fest davon überzeugt, dass mit der neu gewonnenen Ruhe der kurz – aber auch mittelfristige Verbleib in der 3.Liga gelingen wird und drücke dem Verein dafür natürlich alle Daumen.

– Anders schnitt dein anderer Ex-Verein Sportfreunde Lotte ab. Nach drei Jahren in deutschlands dritthöchster Spielklasse folgte vergangenes Jahr der Abstieg. Nach einem massiven Umbruch steht derzeit ein respektabler 9.Platz in der Regionalliga West zu Buche. Wie schätzt du die Entwicklung bei den Sportfreunden seit deinem Abgang 2018 ein und wie hoch sind Deiner Ansicht nach die Chancen auf eine baldige Rückkehr in die 3.Liga ?

MK: Ich kann, glaube ich behaupten, die schönste Zeit des Vereins miterlebt zu haben. Im DFB Pokal Viertelfinale zu stehen und Spitzenreiter zu sein, waren natürlich tolle Erlebnisse. Die Zeit in der 3.Liga war ein absoluter Genuss. Der Klub hat damals eine unfassbar schnelle Entwicklung hingelegt. Dennoch glaube ich, dass die Sportfreunde nach dem Abgang von Ismail Atalan und Joe Laumann (Anm. der Redaktion: Wechsel zum Hallescher FC) Zeit braucht. Nach vielen Trainerwechseln und viel Unruhe tut der Verein gut daran, sich erstmal zu stabilisieren. Allerdings kann es im Fußball auch schnell gehen, sodass man einen schnellen Aufstieg in die 3.Liga nicht ausschließen sollte

– Das Tabellenfeld in der 3.Liga war bis auf zwei Ausnahmen äußerst ausgeglichen, ehe der weitere Verlauf der Saison aufgrund des Corona – Virus auf der Kippe steht. Was wäre deiner Ansicht nach die richtige Herangehensweise aktuell aber auch bezogen auf die nächste Spielzeit?

MK: Diese Situation ist natürlich völlig neu für alle Vereine. Ich glaube, man merkt immer noch, dass der ganze Verlauf schon überraschend für Spieler, Fans und Verantwortliche kam. Es liegt an den Verantwortlichen des DFB/DFL eine Herangehensweise zu finden, zumal ja noch viele Punkte zu vergeben wären. Klar ist aber auch, dass die Gesundheit der Bevölkerung oberste Priorität hat.

– Interessant ist auch die Frage, wo man Dich nächste Saison spielen sehen wird. Bei bisher allen Verein stoppte dich das Verletzungspech mitten in Phasen, wo Du dich in der ersten Elf etabliert hattest. Wie optimistisch bist du im Sommer neu anzugreifen und viel Spielpraxis zu sammeln und welche Ligen nimmst du hierfür für dich persönlich in den Fokus ?

MK: Ich bin da auf jeden Fall nicht blauäugig. Mir ist bekannt, dass ich im Sommer seit einem Jahr ohne Spielpraxis bin und bleibe auch dementsprechend realistisch. Ich bin für alles gesprächsbereit und auch offen, was die möglichen Ligen angeht. RWE ist natürlich immer eine Option. Allerdings müssen die Strukturen dort auch passen. Ich bin diesbezüglich altmodisch, da für mich Vertrauen und der Wohlfühlfaktor eine große Rolle spielt. Für mich gilt es, die Entwicklung bei RWE aber auch generell abzuwarten und natürlich fit zu werden.

– Du hast gemessen an deinem Alter schon viele positive und negative Dinge in deiner Karriere erlebt und hast zudem schon viel Verantwortung in deinen jeweiligen Vereinen übernommen. Dennoch zählst du mit 25 Jahren noch lange nicht zum alten Eisen. Was sind deine mittelfristigen und langfristigen Ziele für deine Karriere? Gibt es einen Traum im Fußball, den du unbedingt verwirklichen willst ?

MK: Ich habe im Fußball durchaus schon viel durchgemacht. Pokalerfolge, Abstiege, Abstiegskampf, da war einiges dabei bisher. Ich gebe alles für den Sport. Gesundheit hat natürlich oberste Priorität. Langfristig will ich weiter im Fußball bleiben, auch nach meiner Karriere als Spieler. Ich habe hierfür auch schon viele Menschen kennengelernt, die einem den Einstieg erleichtern. Ansonsten würde ich gerne mal das Anfield Road oder das Bernabeu Stadion besuchen. Als Spieler wäre es fantastisch, mal einen Aufstieg/eine Meisterschaft mitzuerleben, das ist mit das größte Erlebnis als Fußballer.

– In deiner bisherigen Laufbahn hast du mit vielen Trainern zusammengearbeitet. Gibt es einen Trainer, der dir besonders viel Vertrauen – auch als du verletzt warst – geschenkt hat und von dem Du persönlich besonders viel mitgenommen hast ?

MK: Jeder Trainer hat seine ganz eigene Art. Mit manchen kommt man passabel klar, mit anderen besser. Bei Rot – Weiß hatte ich sowohl zu Stefan Emmerling als auch zu Thomas Brdaric ein gutes Verhältnis, da ich von beiden viel Vertrauen geschenkt bekam und ich mich auch mit beiden persönlich gut verstand. In meiner ersten Saison hatte ich zudem die Ehre unter Benno Möhlmann zu trainieren. Von ihm habe ich besonders viel gelernt.  Auch mit Karsten Heine kam ich beim CFC gut klar. Es war schade, dass er im Winter 2016 gehen musste

– Im Fußball lernt man auch mit den Mitspielern viele neue Menschen kennen. Zu welchen ehemaligen Mitspielern hast du bis heute Kontakt und sind sogar Freundschaften durch den Fußball entstanden ?

MK: Ich bin schon stolz darauf, durch den Fußball viele neue Freunde gewonnen zu haben. Florian Ballas (Anm: zurzeit bei Dynamo Dresden), Kevin Kunz (Anm. zurzeit beim SSV Jahn Regensburg), Lukas Novy (Anm. zurzeit beim SV Neukirchen), Morten Rüdiger (Anm. zurzeit beim VfB Lübeck), Matthias Rahn (Anm. zurzeit beim MSV Duisburg) oder Rico Gladrow (Anm. zurzeit beim FC Energie Cottbus) sind nur einige, mit denen ich heute in engem Kontakt stehe. Es ist immer schön, wenn man sich nach längerer Zeit trifft, da natürlich dann auch die Gesprächsthemen umso größer sind.

– 95 Spiele hast Du bisher im Profibereich absolviert. Gibt es ein Spiel, dass dir ganz besonders positiv und auf der anderen Seite negativ in Erinnerung geblieben ist ?

MK: Erstmal ist es natürlich schade, dass es bisher nur 95 Spiele waren. Aber positiv in Erinnerung bleibt mir auf jeden Fall ein Spiel meiner A – Jugendzeit beim FSV Frankfurt. Im Derby gegen Eintracht Frankfurt lagen wir nach Führung mit 2:6 hinten und konnten am Ende dennoch auf 6:6 ausgleichen. Eltern rannten auf den Platz, es war ein unfassbares Gefühl. Negativ in Erinnerung geblieben ist kein Spiel, sondern ein kürzliches Ereignis, als eigentlich das Spiel von Rot – Weiß Erfurt gegen den FC  Energie Cottbus stattfinden sollte. Es waren dennoch 1000 Menschen im Stadion, um sich zu verabschieden, obwohl nicht gespielt wurde. Ich war selber vor Ort und mir persönlich ist das schon sehr nahe gegangen.

– In der 3.Liga und Regionalliga bist Du durchaus in vielen Stadien aufgelaufen, sogar in der 2.Bundesliga durftest Du zwei Einsätze absolvieren. Gibt es ein Stadion, das Dir aufgrund der Atmosphäre besonders in Erinnerung geblieben ist und wie wichtig ist Dir ein lautstarker Support, wie er bei deinem letzten Verein in Erfurt vorhanden war ?

MK: Für mich sind lautstarke Fans definitiv ein Faktor. Auch in Erfurt hatten wir unfassbar geile Fans. Nach so vielen Jahren, wo es sportlich alles andere als gut lief, so hinter dem Verein zu stehen, ist alles andere als selbstverständlich. Generell war es ein unfassbares Erlebnis, auswärts beim 1.FC Köln – auch ohne Einsatz – dabei gewesen zu sein. Auch auswärts beim 1.FC Union Berlin oder dem FC St.Pauli herrschte eine tolle Atmosphäre. In der 3.Liga sind natürlich der FC Hansa Rostock oder der 1.FC Magdeburg für eine überragende Stimmung bekannt. Bei toller Atmosphäre macht es einfach Bock, auf dem Platz zu stehen.

– Abschließende Frage: Rot – Weiß Erfurt startet kommende Saison bestenfalls in der Oberliga, bei Dir ist die Liga ungewiss. Wirst du Rot-Weiss auch weiter verfolgen und wie hoch ist die Chance, dich am 1. Spieltag der neuen Saison auf dem Platz zu sehen ?

MK: Für mich ist es erst einmal wichtig, komplett fit zu werden. Eine „Rückkehr“ zu Rot – Weiß Erfurt möchte ich nicht ausschließen. Aber meine Genesung und meine Familie hat meinen kompletten Fokus zurzeit. Ansonsten bin ich heiß, bereit und motiviert. Aber selbst wenn eine Rückkehr zu RWE nicht Realität wird, kann ich ehrlich sagen, dass der Verein für immer in meinem Herzen sein wird.

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