Der SC Verl gehört in dieser Saison zu den positivsten Überraschungen der dritten Liga. Nach 14 Spieltagen mischt der ostwestfälische Klub im Spitzenfeld mit und liegt nur knapp hinter den Aufstiegsrängen. Herzstück dieses Aufschwungs ist Trainer Tobias Strobl, der bei seinem ersten Cheftraineramt im Profifußball direkt ein starkes Ausrufezeichen setzt.
Vom Amateurfußball an die Spitze der dritten Liga
Tobias Strobl hat sich seinen Weg systematisch aus dem bayerischen Amateurfußball nach oben erarbeitet. Seine Trainerlaufbahn begann 2012 beim FC Pipinsried, anschließend folgten Stationen im bayerischen Amateur- und Regionalliga-Bereich, unter anderem beim TSV 1860 Rosenheim und beim FC Schweinfurt 05. Dort kämpfte er um den Aufstieg in die 3. Liga, ehe er im Nachwuchsleistungszentrum des FC Ingolstadt sowie als Coach der U23 des FC Augsburg Verantwortung übernahm.
Von 2022 bis 2025 stand Strobl an der Seitenlinie der zweiten Mannschaft des FC Augsburg. An seiner Seite arbeitete Ex-Profi Stefan Aigner. Über seine Zeit in Augsburg sagt er bei SPORT1: „Den Verein macht vor allem seine Klarheit aus in dem was er will und braucht. Dass er klare Parameter hat, wonach der Verein die Spieler und Trainer auswählt. Er misst die Spiele nicht nur nach Ergebnis, sondern auch nach den Daten. Das Umfeld zeichnet einen sehr familiären Umgang aus, in dem jeder alles für den Verein gibt.“
Lob von Mentor Schromm – und Entwicklungspotenzial
Zu den wichtigsten Wegbegleitern des 38-Jährigen zählt Claus Schromm, heute Cheftrainer Nachwuchs beim FC Augsburg. Er beobachtet Strobls Werdegang seit Jahren eng. „Er hat sich in den letzten drei Jahren beim FCA gut entwickelt. Jetzt ist er den nächsten Schritt gegangen – ein Grundgedanke beim FCA, nicht nur Spieler, sondern auch Trainer auszubilden“, sagt Schromm gegenüber SPORT1 und verweist dabei auch auf Strobls früheren Co-Trainer Felix Kling, der inzwischen im Trainerstab von Sandro Wagner bei den FCA-Profis arbeitet.
Dass der Trainer nun in Verl so gut performt, überrascht Schromm nicht: „Verl und Tobi passen von ihrer Art gut zusammen, das ist ein klasse Match. Wichtig ist, Schritt für Schritt zu machen. Jetzt ist die 3. Liga sein Zuhause, alles Weitere wird man sehen.“
Ganz ohne Kritik sieht Schromm seinen ehemaligen Schützling aber nicht: „In der Sprachenkompetenz und in der emotionalen Regulation kann er sich noch weiterentwickeln“, sagt er und schiebt nach: „Aber er ist lernwillig, nimmt Feedback an und setzt es um. Das unterscheidet ihn von vielen.“
Kurzprofil Tobias Strobl
- Geboren: 12.10.1987 in Ingolstadt
- Aktueller Klub: SC Verl, Cheftrainer seit 2025/26
- Bisherige Stationen (u. a.): FC Pipinsried, TSV 1860 Rosenheim, FC Ingolstadt II, FC Schweinfurt 05, FC Augsburg II
- Besonderheit: Über 300 Spiele als Cheftrainer im Seniorenfußball
Spielidee: Ballbesitz, Mut und offene Kommunikation
Beim SC Verl setzt Strobl auf eine klare Struktur und viel Ballbesitz. Im Umgang mit der Mannschaft setzt er stark auf Transparenz: „Beim Umgang mit der Mannschaft war mir vor allem die offene Kommunikation wichtig und die Mannschaft in alle Prozesse miteinzubeziehen. Mir ist wichtig, dass jeder jederzeit Klarheit hat, woran er ist und was die Erwartungshaltung an denjenigen ist.“
Sein fußballerisches Konzept beschreibt er kompakt: „Meine Mannschaft soll das Spiel über den Ballbesitz dominieren und in jeder Phase aktiv und mutig sein.“ Mit über 60 Prozent durchschnittlichem Ballbesitz gehört Verl zu den spielstärksten Teams der Liga – bemerkenswert, wenn man den drittkleinsten Etat der dritten Liga von rund 5,5 Millionen Euro berücksichtigt.
Erfolg mit kleinem Budget: Verls Kader im Fokus
Trotz limitierter finanzieller Mittel ist der SC Verl 2025/26 ein ernstzunehmender Aufstiegskandidat in Liga3. Nach elf bis vierzehn Spieltagen rangiert der Sportclub stabil in der oberen Tabellenhälfte und kratzt an den Aufstiegsplätzen.
Schlüsselspieler im Strobl-System (Auszug 2025/26)
- Berkan Taz (Offensives Mittelfeld) – Kreativer Kopf, wertvollster Spieler im Kader, wichtiger Standard-Schütze.
- Timur Gayret (Mittelfeld) – Dynamischer Box-to-Box-Spieler, treibt das hohe Tempo im Ballbesitzfußball.
- Dominik Steczyk & Jonas Arweiler (Angriff) – Stürmerduo, das mit Tiefenläufen und Pressingarbeit perfekt zur mutigen Spielidee passt.
- Philipp Schulze (Torwart) – Moderner Keeper, der das Aufbauspiel von hinten mitprägt.
Die Mischung aus entwicklungsfähigen Talenten und erfahrenen Drittliga-Spielern macht den Kader für die dritte Liga äußerst spannend, gerade im Hinblick auf den Aufstiegskampf mit Teams wie MSV Duisburg, Energie Cottbus, Hansa Rostock und Rot-Weiss Essen.
„Erfolg ist fragil“ – Strobl bleibt realistisch
Auch wenn Verl aktuell oben anklopft, warnt Strobl vor überzogenen Erwartungen. Die dritte Liga sei extrem eng, Kleinigkeiten könnten über Sieg und Niederlage entscheiden. Gleichzeitig unterstreicht er, wie sehr ihn die Erfahrungen der letzten 15 Jahre geprägt haben, vom Abstiegskampf in Rosenheim über die Ausbildung junger Spieler in Ingolstadt und Augsburg bis hin zum Aufstiegskampf in Schweinfurt.
Zur Zukunft hält sich Strobl bewusst zurück: „Ich möchte jeden Tag zusammen mit meinem Team das bestmögliche geben und dann wird die Zukunft zeigen, was sie für mich bereithält.“
Blick nach Augsburg: Einschätzung zu Sandro Wagner
Trotz seines Jobs in Verl verfolgt Strobl die Lage beim FC Augsburg aufmerksam. Dort steht Cheftrainer Sandro Wagner nach einem holprigen Bundesliga-Start unter Druck. Für Strobl ist das jedoch kein Automatismus für einen Trainerwechsel: „Meine Erfahrung ist, dass es ein sehr familiärer Verein ist, der erstmal probiert, Probleme gemeinsam zu lösen und nicht zu schnell handelt“, sagt er. „Es ist eine schwere Situation für Sandro, aber es spricht für den Klub, dass man nicht gleich den Stab über ihn bricht. Man will das offenbar zusammen durchstehen.“
Was in Augsburg ebenso wie in Verl Priorität hat, bringt Strobl auf den Punkt: Es zählt vor allem, „dass die Leute merken, dass man alles für den Verein gibt. Da ist es nicht das Wichtigste, einen guten Ballbesitz oder sonst was zu haben.“ Entscheidend sei, „hart zu arbeiten und alles auf den Platz zu lassen“.
