Der aktuelle Höhenflug von FC Energie Cottbus kommt für viele Beobachter überraschend. Als Herbstmeister der 3. Liga haben sich die Lausitzer erneut in eine hervorragende Ausgangsposition für den Aufstieg gebracht. Wirtschaftsexperte Henning Zülch hatte nach dem verpassten Aufstieg in der Vorsaison eigentlich mit einer sportlichen Delle gerechnet. Dass diese bislang ausgeblieben ist, spricht aus seiner Sicht für die Arbeit der Mannschaft und des Trainerteams, allerdings bei gleichzeitig hoher Absturzgefahr in einer extrem ausgeglichenen Liga.
Finanzielle Realität: Durchschnittsetat, hohe Risiken
Aus wirtschaftlicher Perspektive bewertet Zülch die Lage weiterhin kritisch. Der Saisonetat von rund fünf bis sechs Millionen Euro liege zwar im Ligamittelfeld, doch das Eigenkapital sei nahezu aufgebraucht, während hohe Verbindlichkeiten bestehen. Hinzu komme ein Stadion, das derzeit nicht zweitligatauglich ist und einen erheblichen Investitionsbedarf nach sich zieht.
Sein Urteil fällt entsprechend klar aus. Gegenüber „rbb24“ sagt er: „Wenn man sich nur die Zahlen anschaut, spielt der Klub über seine Verhältnisse.“ Dieses Modell sei in der 3. Liga zwar verbreitet, bleibe aber hochriskant.
Verpasster Aufstieg als Chance zur Entwicklung
Rückblickend sieht Zülch den im Sommer verpassten Aufstieg nicht ausschließlich negativ. Energie Cottbus habe dadurch ein zusätzliches Jahr gewonnen, um strukturell nachzulegen und Prozesse zu professionalisieren. Größere Investitionen seien aktuell nicht aus dem laufenden Geschäft zu stemmen, weshalb insbesondere beim Stadionausbau die Unterstützung des Landes notwendig bleibe. Sportlicher Erfolg und wirtschaftliche Realität klaffen aus seiner Sicht weiterhin auseinander.
Aufstieg in die 2. Liga: Kosten explodieren, Einnahmen verzögert
Sollte der Aufstieg in dieser Saison gelingen, stünde der Klub vor einem massiven Umbruch. Laut Zülch wäre plötzlich ein vier- bis fünffacher Etat erforderlich, um den DFL-Anforderungen gerecht zu werden. Höhere Personalkosten, professionelleres Scouting sowie Investitionen in Infrastruktur und Technik würden sofort greifen. „Daran sind schon so einige gescheitert.“
Zwar seien steigende TV- und Sponsoringeinnahmen zu erwarten, diese kämen jedoch zeitlich verzögert. Das erhöhe das Risiko einer Verschuldung erheblich, insbesondere im Falle eines direkten Wiederabstiegs.
3. Liga als sinnvoller Entwicklungsraum
Trotz der sportlichen Erfolge sieht Zülch Energie Cottbus strukturell noch nicht bereit für den nächsten Schritt. Im Vergleich zu gezielt vorbereiteten Aufsteigern fehle es bislang an einer klaren Gesamtstrategie. Sein Fazit: „Ich habe eher den Eindruck, dass die 3. Liga Energie guttut und man Schritt für Schritt an einer Professionalisierung arbeiten sollte, um den nächsten Schritt zu gehen.“
