Kleiner Klub mit großen Träumen: Wie der SC Verl die 3. Liga aufmischt

Foto: SC Verl

Als vor wenigen Monaten die neue Drittliga-Saison begann, waren selbst die kühnsten Optimisten sich nicht sicher, dass der SC Verl im Winter zu den führenden Teams zählen würde. Nach 16 Spieltagen nimmt der kleine Klub aus Ostwestfalen eine sensationelle Position ein: Derzeit belegt er den dritten Platz. Mit einem offensiven Spielstil, einem ambitionierten Team und einem Trainer, der mutig nach vorne spielen lässt, sorgt Verl für Furore und träumt plötzlich vom Aufstieg in die 2. Bundesliga. Doch ist der SC Verl für den nächsten Schritt bereit?

Nach dem 16. Spieltag der Saison 2025/26 liegt der SC Verl überraschend auf dem dritten Platz der 3. Liga. Das Team errang in 16 Begegnungen acht Siege, sechs Unentschieden und lediglich zwei Niederlagen. Mit 40 erzielten Toren stellt Verl eine der offensivstärksten Mannschaften der Liga dar, auch wenn 24 Gegentreffer die Defensivarbeit als Entwicklungspotenzial offenbaren. Die Tabelle präsentiert sich wie folgt:

Tabelle
Heim
Auswärts
#
Team
B
S
U
N
Tore
GT
TD
Pkt.
1
MSV Duisburg
U U S N S
>
9
5
2
30
19
11
32
2
10
2
4
36
26
10
32
3
SC Verl
S U U S S
>
8
6
2
40
24
16
30
4
Rot-Weiss Essen
U S S N S
>
8
5
3
32
27
5
29
5
VfL Osnabrück
S U S S N
>
8
5
3
20
15
5
29
6
7
6
3
27
16
11
27
7
8
1
7
28
25
3
25
8
VfB Stuttgart II
N S N U S
>
7
4
5
23
23
0
25

Die letzten fünf Begegnungen unterstreichen Verls Formstärke: drei Siege (darunter ein spektakuläres 5:0 gegen SSV Ulm 1846) und zwei Unentschieden.

Ursachen für den Höhenflug

Neuer Trainer und Spielstil

Die Mannschaft aus Ostwestfalen begann die Saison unter der Leitung des neu bestellten Cheftrainers Tobias Strobl. Der 37-jährige Ingolstädter, der zuvor die Position des Trainers der zweiten Mannschaft des FC Augsburg innehatte, setzte von Beginn an auf einen offensiven, intensiven und ballbesitzorientierten Spielstil. Diese Ausrichtung resultierte in bemerkenswerten Spielen: In den ersten fünf Partien fielen insgesamt 21 Tore, 11 für Verl und 10 gegen den SCV. Nach dem 4:2-Sieg gegen Hoffenheim II im September, erklärte Strobl, seine Mannschaft sei „ball- und passsicher“ und habe das Potenzial für mehr.

Nach dem 2:1-Heimsieg gegen Alemannia Aachen, ebenfalls im September, zeigte sich der Trainer hocherfreut und betonte die starke Teamkultur: „Die Mannschaft lebt. Es herrscht eine Atmosphäre der gegenseitigen Unterstützung, die als bemerkenswert empfunden wird.“

Die Kaderbreite sowie die klugen Transfers sind von entscheidender Bedeutung.

Nach der Rekordsaison 2024/25 (57 Punkte, Platz 7) verlor der SC Verl mehrere Leistungsträger. Trainer Alexander Ende wechselte zu Preußen Münster, die Stammspieler Tom Baack, Patrick Kammerbauer, Marcel Benger und Torjäger Lars Lokotsch folgten ihm. Sportvorstand Sebastian Lange reagierte darauf mit gezielten Verpflichtungen: Torhüter Philipp Schulze (VfL Wolfsburg), Rechtsverteidiger Dennis Waidner (SpVgg Unterhaching), Innenverteidiger Martin Ens (SC Paderborn) und Stürmer Alessio Besio (SC Freiburg II) wurden in den Verein aufgenommen. Die neu verpflichteten Spieler integrierten sich schnell in die Mannschaft und trugen zur Tiefe des Kaders bei. Dadurch konnten Ausfälle von Stammkräften, wie beispielsweise Ethan Kohler oder Besio, kompensiert werden.

Torgefährliche Offensivspieler

  • Berkan Taz – Der Spielmacher und Standard‑Spezialist war schon in der Vorsaison mit 13 Toren und 14 Vorlagen der Top‑Scorer der Liga. In der neuen Saison legte er erneut los: Bereits nach fünf Spielen stand er bei vier Toren und zwei Assists. Mit insgesamt acht Treffern belegt er aktuell Rang 7 der Torjägerliste.

  • Jonas Arweiler – Der Neuzugang erzielte bislang sieben Ligatore und komplettiert gemeinsam mit Taz eines der gefährlichsten Offensivduos der Liga.

  • Alessio Besio, Oualid Mhamdi und Dennis Waidner sorgen zusätzlich für variable Angriffsmöglichkeiten. Die vielen Torschützen machen Verl schwer ausrechenbar.

Teamkultur und Kampfgeist

Der SC Verl lebt von einer starken Mannschaftskultur. Strobl lobte nach dem späten 2:1 gegen Aachen den Zusammenhalt und die gegenseitige Unterstützung im Team. Diese Mentalität zeigte sich auch in chaotischen Spielen: Gegen Hoffenheim II drehte Verl einen Rückstand in letzter Minute zum 4:2 Sieg. Die Fähigkeit, bis zum Ende zu fighten, sorgt für wichtige Punkte und hält den Verein im Aufstiegsrennen.

Aufstiegschancen – was spricht dafür, was dagegen?

Positiv: Angriffsstärke, Breite und Form

Eine Analyse von Liga3-News kommt zu dem Schluss, dass Verl dank seines attraktiven Angriffsfußballs, der breiten Bank und der aktuellen Form ein ernstzunehmender Außenseiter im Aufstiegsrennen ist. Die Mannschaft errang in den letzten sieben Spielen fünf Siege und zwei Unentschieden und befindet sich in unmittelbarer Nähe zu den Aufstiegsrängen. Coach Strobl betont, dass der Aufstieg „nur in unserer Hand“ liege und dass eine konsequente Spielweise die Grundlage für den Erfolg sei. Der Wettbewerb innerhalb des Kaders zeichnet sich durch ein hohes Niveau aus, und mehrere Spieler sind in der Lage, verschiedene Positionen zu besetzen.

Negativ: Defensive Anfälligkeit und starke Konkurrenz

Trotz der Offensivpower bleibt die Abwehr das große Fragezeichen. Bis zum Berichtstag spielte Verl kein einziges Ligaspiel zu Null und kassierte im Schnitt 1,73 Gegentore. In engen Aufstiegsrennen entscheidet jedoch häufig die defensive Stabilität. Darüber hinaus verfügen Konkurrenten wie MSV Duisburg, Energie Cottbus oder traditionsreiche Vereine (Osnabrück, Hansa Rostock, 1860 München) über höhere Budgets und größere Erfahrung. Auch die U23‑Teams von Hoffenheim II und Stuttgart II haben zwar kein Aufstiegsrecht, können dem SC Verl aber entscheidende Punkte abnehmen.

Einschätzung

Die Mischung aus starker Offensive und anfälliger Defensive macht den SC Verl zu einem spannenden Außenseiter im Aufstiegsrennen. Wenn die Mannschaft ihre Konstanz beibehält, die Defensive stabilisiert und den Kopf frei behält, ist der Sprung in die 2. Bundesliga möglich. Andernfalls drohen Rückschläge gegen finanzstärkere Konkurrenten.

Was jetzt wichtig ist

  1. Defensive stabilisieren. Der Verein muss an seiner Restverteidigung arbeiten und Konter besser verteidigen. Eine klare Abstimmung zwischen Innenverteidigung und Defensive Mittelfeld könnte die Gegentorflut eindämmen.

  2. Serien bauen. Im engen Aufstiegsrennen sind Serien entscheidend. Der Fokus sollte immer auf dem nächsten Spiel liegen, wie Strobl betont.

  3. Wettbewerb im Kader nutzen. Die Rotation zwischen jungen Talenten und erfahrenen Spielern hält das Niveau hoch. Verl sollte diesen Wettbewerb fördern, um Verletzungen zu kompensieren und in der Rückrunde körperlich frisch zu bleiben.

  4. Fanunterstützung und Infrastruktur stärken. Die positive Stimmung in der heimischen Sportclub-Arena ist ein entscheidender Faktor. Der 4:1-Heimsieg über Osnabrück löste große Freude aus und zeigte, wie wichtig das Publikum für den Verein ist. Durch die anstehende Stadionmodernisierung und die gute Nachwuchsarbeit könnte der Verein nachhaltig wachsen.

  5. Finanzielle Vernunft wahren. Als kleiner Klub kann Verl nicht mit Budgets der Liga‑Schwergewichte mithalten. Die bisherigen klugen Transfers zeigen, dass sportlicher Erfolg auch mit begrenzten Mitteln möglich ist. Dieses Prinzip sollte weiterhin gelten.

Blick voraus

Die nächsten Spiele gegen TSV Havelse (6. Dezember), Rot‑Weiss Essen (13. Dezember), TSV 1860 München (20. Dezember), SV Waldhof Mannheim (17. Januar 2026) und SV Wehen Wiesbaden (25. Januar 2026) könnten die Weichen für den Aufstieg stellen. Punktet der SC Verl weiterhin konstant und minimiert defensive Fehler, bleibt der Traum vom Aufstieg lebendig.

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